Im August letzten Jahres empfahl ich die Aktien der Deutschen Post erstmals zum Kauf. Damals schüttete die Post eine Dividende von 0,90 EUR je Aktie aus, der hohe Ölpreis von damals 120 USD/Fass drückte auf die Margen, das US-Geschäft fraß Kapital auf und die Postbank galt aufgrund der Finanzkrise als nicht verkaufbar. Die Aktie stand damals bei 15 Euro und ich hielt die Dividende für gesichert, was den Kurs nach unten abgesichert hätte.
Inzwischen ist der Ölpreis unter 40 USD/Fass gefallen, das US-Geschäft ist eingestanzt worden und die Postbank wurde an die Deutsche Bank verscherbelt. Drei Entwicklungen, die eigentlich zu einem Gewinnschub führen sollten, stattdessen wurde die Dividende auf 0,60 EUR gekürzt, der Kurs ist von 15 auf 9,25 Euro gefallen. Damit ist das Sicherheitsnetz (die hohe Dividende) nicht mehr vorhanden und die Katalysatoren (fallender Ölpreis, Liquidation der US-Verluste, Verkauf der Postbank) gibt es nicht mehr. Das allein sollte uns Grund genug sein, die Position auch mit Verlusten aufzulösen, es gibt
sicherlich bessere Aktien.
Doch bevor ich eine vorschnelle Verkaufsempfehlung gebe, habe ich nochmals im Detail geprüft, ob die Aktie auf dem nun erreichten Niveau nicht vielleicht günstig ist und besser im Portfolio bleiben sollte. Vielleicht war es ja nur die
weltweite Konjunkturkrise, die dem Unternehmen zu schaffen machte und vielleicht ist nun mit einer fulminanten Aufholjagd zu rechnen...?
Ich habe daher die Analysten von Equity Analyst gebeten, die Deutsche Post im Detail unter die Lupe zu nehmen. Hier sind deren Ergebnisse.
AUSWERTUNG DER ANALYSE VON EQUITY ANALYST
TÄTIGKEIT
Die Deutsche Post befördert Briefe und Pakete in Deutschland, DHL bietet weltweit Logistikdienstleistungen an. Die Deutsche Post und DHL nennen sich zusammen Deutsche Post Worldnet.
Intern untergliedert sich das Geschäft in vier Bereiche:
1. Briefe
2. Express Geschäft, insbesondere schneller Versand von Standardgrößen
3. Global Forwarding/Freight, weltweiter Transport jeglicher Frachten
4. Corporate Information Solutions, also Logistikberatung
Weltweit beschäftigt die Deutsche Post rund 500.000 Mitarbeiter in über 220 Ländern und gehört damit sicherlich zu den größten Arbeitgebern unserer Erde.
BILANZENTWICKLUNG
Am 10. März veröffentlichte die Deutsche Post die Zahlen für das abgelaufene Geschäftsjahr 2008. Der Umsatz ist konstant geblieben (54,47 Mrd. EUR in 2008 nach 54,04 Mrd. EUR im Jahr 2007). Das Konzernergebnis brach von einem Gewinn in Höhe von 1,87 Mrd. EUR im Jahr 2007 auf einen Verlust von 1,98 Mrd. EUR im Jahr 2008 ein. Je Aktie kehrte sich also ein Gewinn von 1,15 EUR in einen Verlust von 1,40 EUR. Abschreibungen und Restrukturierungskosten seien für diese Entwicklung verantwortlich, so die Deutsche Post.
Im Jahr 2008 erwirtschaftete die Deutsche Post mit dem Briefgeschäft einen Vorsteuergewinn von 1,7 Mrd. EUR (Cashcow!). Zusätzlich nahm das Unternehmen durch den Verkauf der Deutschen Postbank an die Deutsche Bank 4,2 Mrd. EUR ein. Durch einen gewonnenen Gerichtsprozess vor dem Europäischen Gerichtshof wurde die Bundesregierung zur Einhaltung der Zahlung von Subventionen für die regionale Briefzustellung verurteilt, es flossen zusätzlich 1,07 Mrd. EUR in die Kasse der Deutschen Post.
Im April vergangenen Jahres veräußerte die Deutsche Post 1.300 Immobilien aus dem eigenen Bestand (überwiegend in Deutschland) an den US-Investor Lone Star. Es wurden weitere 1 Mrd. EUR in bar eingenommen.
Mit diesen außerordentlichen Einnahmen konnten die langfristigen Schulden von 10 auf 4 Mrd. EUR zurückgefahren werden. Die Zinszahlungen haben sich dadurch deutlich verringert.
Durch die außerordentlichen Einnahmen sowie die geringeren Zinszahlungen sowie durch die Dividendenkürzung konnten trotz des operativen Verlustes die Barmittel konstant bei 1,35 Mrd. Euro gehalten werden.
Abschreibungen, Umstrukturierungskosten, außerordentliche Einnahmen und Dividendenkürzung zeigen, dass das Jahr 2008 ein Jahr des Umbruchs war. Die reinen Zahlen lassen sich kaum interpretieren, wir müssen in die einzelnen Geschäftsbereiche hinein schauen, um uns ein Bild über die Zukunftsfähigkeit des ehemaligen Staatsbetriebes zu machen.
ENTWICKLUNG DER EINZELNEN GESCHÄFTSBEREICHE
1. Briefe:
Umsatz: 14,393 Mrd. EUR (- 1,2%)
Ergebnis: 2,253 Mrd. EUR (+14,0%)
2. Express:
Umsatz: 13,874 Mrd. EUR (- 1,7%)
Ergebnis: -2,144 Mrd. EUR (2007: -0,272 Mrd. EUR)
3. Global Forwarding/Freight:
Umsatz: 14,179 Mrd. EUR (+ 9,4%)
Ergebnis: 389 Mio. EUR (- 4,9%)
4. Corporate Information Solutions
Umsatz: 13,718 Mrd. EUR (- 4,2%)
Ergebnis: - 675 Mio. EUR (2007: +577 Mio. EUR)
Nur der Bereich Global Forwarding/Freight kann wachsen, das aber auch nur defizitär. Dort kann die Deutsche Post also nicht ihre Kosten decken. Alle anderen Bereiche verzeichnen rückläufige Umsätze.
Aufgrund des Briefmonopols in Deutschland kann dieser Bereich noch kräftige Gewinne ausweisen. Doch das Briefmonopol wird gekippt, die Frage ist nur wann und wie. Die Gewinne aus diesem Bereich sind also nicht nachhaltig, geschweige denn ansteigend. Alle anderen Bereiche erwirtschaften Verluste.
Die Bilanz wurde also mit Hilfe der außerordentlichen Einnahmen verschönert, die Post ist nun gut gegen eine Krise gewappnet. Doch die Geschäftsentwicklung ist alles andere als gut.
MARKTUMFELD
Die Deutsche Post ist also ein Marktführer der Logistikbranche mit einer inzwischen soliden Bilanz. Allerdings schränken hohe Pensionsverpflichtungen die Flexibilität des Unternehmens ein. Darüber hinaus ist eine mögliche Revision des Mindestlohnes, der dem Briefgeschäft im Jahr 2008 nochmals dicke Gewinne ermöglicht hat, ein Damoklesschwert, das irgendwann nieder
rauschen und das Ende des Briefmonopols herbeiführen wird.
Beim Lesen der Bilanz wird der Eindruck vermittelt, das Unternehmen stehe mit dem Rücken zur Wand. Der Verkauf der Postbank sowie die Beendigung des US-Abenteuers waren bitter notwendig, um die Krise durchzustehen. Mit der „Strategie 2015" werden Kürzungen bei Personal & Kapazität angestrebt, kurzfristig wird dies jedoch zu Umsatzeinbußen führen. Die starke Position im deutschen Briefgeschäft müsste „verteidigt" werden und die Rendite im Logistikgeschäft müsste „verbessert" werden.
Das sind keine Aussichten, die steigende Gewinne und damit steigende Aktienkurse erwarten lassen. Weitere Ergebnisverbesserungen sollen durch buchhalterische Maßnahmen wie eine Verbesserung des Kapitalkostensatzes sowie eine Verringerung des Umlaufvermögens erzielt werden. Dies lässt sich auch nicht beliebig fortsetzen.
Abgesehen von diesen unternehmenseigenen Entwicklungen belastete im Jahr 2008 der hohe Ölpreis die Gewinnmargen. Im Jahr 2009 ist damit zu rechnen, dass die Konjunkturflaute, der rückläufige Welthandel auf die Margen drückt. Wir kennen den Baltic Dry Index, der stark eingebrochen ist. Als Indikator für die Logistikaktivitäten des Welthandels können wir daraus ableiten, dass auch die DHL weiter rückläufige Volumina wird verschiffen dürfen.
AUSBLICK
Im April letzten Jahres wurden neue Tarifverträge ausgehandelt. Neben der Lohnerhöhung bei gleichzeitig verlängerter Wochenarbeitszeit (und das in einer Rezession!) wurde der Kündigungsschutz verlängert. Flexibilität adieu.
Solche Lohnrunden sind in der Privatwirtschaft kaum möglich, hier mischt die Politik noch kräftig mit. Über die KfW ist der Bund mit 30,5% noch immer größter Anteilseigner an der Post. Gepaart mit den hohen Pensionsverpflichtungen des Unternehmens ist die finanzielle Flexibilität der Post sehr eingeschränkt.
Für das Jahr 2009 wird ein Gewinn von 0,85 EUR je Aktie erwartet, das entspricht einem KGV 09e von 10,9. Der Umsatz wird vermutlich auf 51,31 Mrd. EUR zurück fallen. Für ein Unternehmen, das schrumpft und gerade eine große Menge stiller Reserven versilbert hat, ist ein KGV von 10,9 ein stolzes Bewertungsniveau.
FAZIT
Seit Anfang März ist der Aktienkurs von 6,64 auf 9,25 Euro angesprungen. Das sind immerhin 40% in sechs Wochen. Die Deutsche Post wird von einem konjunkturellen Aufschwung weltweit profitieren, doch dieser ist momentan noch kaum sichtbar. Derzeit ist gerade einmal eine Weltwirtschaftskrise verhindert worden, von einer Konjunkturerholung ist noch nichts zu sehen. 40% sind also ein stolzer Wert für gerade einmal die Vermeidung des Chaos ohne Aussicht auf Wachstum.
Als erstes Verkaufsziel hatte ich vor einigen Wochen 10 Euro ausgegeben. Diese Marke wurde am vergangenen Freitag mit 9,92 Euro knapp verfehlt. Aufgrund meiner nunmehr fundiert pessimistischen Einschätzung zur Deutschen Post werde ich die Auflösung dieser Langfristposition beschleunigen.
Es gibt ähnlich günstig bewertete Unternehmen mit wesentlich größerem Wachstumspotential (bspw. Celgene). Insbesondere durch die Dividendenkürzung, denn das war der Hauptgrund für die Aufnahme in unsere Beobachtungsliste, hat die Deutsche Post dort nun keinen Platz mehr.
Ich würde also sofort einen ersten Teil der Position verkaufen. Einen weiteren Teil würde ich zu Kursen um 10 Euro verkaufen. Und den Rest würde ich verkaufen, falls der Kurs auf 12 Euro steigt. Ein Stop Loss setze ich bei 8,50 Euro.
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