Nachdem Mitglieder die Wunschanalyse ja schon vorab per Mail bekommen haben, steht diese nun auch im Newsbereich für Nicht-Mitglieder zur Verfügung.
Sie haben sich von mir die Analyse der Solarworld-Aktie gewünscht. Ist schon witzig, da ist der Ölpreis über 100 US-Dollar/Fass gestiegen, und die Solaraktien brechen parallel zu diesem Anstieg ein. Ich werde Ihnen in der Analyse zeigen, wie stark die Solarbranche von Regulierungen und Gesetzen abhängt, sodass Sie mit der Solarworld-Aktie eher ein Rentenpapier erwerben als eine Aktie.
Während der vergangenen 12 Monate ist der Ölpreis von 65 auf 101 USD/Fass um 55% angesprungen. Bei den Ölkonzernen ist der Ölpreisanstieg nicht angekommen (Statoil –1%), auch die Stromversorger (E.On +12%) und Solarbranche (Solarworld +-0%) konnten nicht von dem hohen Ölpreis profitieren. Kraftwerksbauer (ABB +32%) haben immerhin gut von der Panik im Markt profitieren können, denn Stromausfälle gehören heute weltweit zur Tagesordnung. Den Vogel aber schossen die Unternehmen ab, die sich auf die Suche nach neuen Ölvorkommen an schwierigen Orten, bspw. der Tiefsee, spezialisiert haben (Transocean +62%, Empfehlung im Heibel-Ticker am 19.1.07).
Und nun glauben Sie, liebe Sharewise-Freunde, dass die Solaraktien wieder an der Reihe sind? Nun, wir werden es herausfinden.
TÄTIGKEIT DES UNTERNEHMENS
Lassen Sie uns zunächst verstehen, was die Solarworld besser macht als andere Solar-Unternehmen: Das Bonner Unternehmen kann die gesamte Produktionskette von der Silizium-Gewinnung bis zur Solaranlageninstallation aus dem eigenen Haus anbieten.
Silizium ist ein knapper Rohstoff, durch die eigene Silizium-Produktion ist die Solarworld AG vor Siliziumpreisschwankungen und Rohstoffknappheiten abgesichert. Es folgt der zweite Fertigungsschritt, die Herstellung von Silizium-Wafern (dünne Siliziumscheiben). Diese werden im dritten Fertigungsschritt zu Solarzellen weiterverarbeitet. Die Solarzellen lassen sich nun für verschiedenste Anwendungen verwenden, sei es für kleine Solarstromanlagen für die Betreibung von Straßenleuchten bis hin zu Solarstromkraftwerken. Die Solarzellen werden einfach in unterschiedlichen Modulen zusammengefasst. Der hauseigene Vertrieb verkauft die schlüsselfertige Solaranlage.
Die meisten Wettbewerber kaufen Silizium zu oder haben den Vertrieb abgegeben und spezialisieren sich auf die Wafer- und Solarzellenproduktion. Andere wiederum kaufen Solarzellen zu und bieten schlüsselfertige Solaranlagen an. Kaum ein Wettbewerber verfügt jedoch über die gesamte Wertschöpfungskette. Damit ist die Solarworld bestens aufgestellt, um komplexe Projekte zu akquirieren.
ERFOLG DER VERGANGENHEIT AUFGRUND DES EEG
Deutschland ist nach Japan Vorreiter in der Solartechnik. Ja, Sie lesen richtig: In Japan gibt es bereits wesentlich mehr Solaranlagen als in Deutschland. Die drei Unternehmen mit den größten Solar-Umsätzen kommen alle aus Japan (Sharp, Kyocera, Sanyo). In Japan hat 1994 das 70.000 Solar-Dächer-Programm die Solareuphorie gestartet. Deutschland war mit seinem Erneuerbare Energien Gesetz (EEG) aus dem Jahr 2000 zu spät, immerhin wurde das Solar-Dächer-Programm aus Japan übernommen und auf 100.000 aufgestockt.
Doch damit sind Deutschland und Japan inzwischen weltweit klar führend in Sachen Solarstrom. Und das Wohl der Solarunternehmen hängt sowohl in Japan wie auch in Deutschland maßgeblich von Fördergesetzen ab. Das war deutlich im Jahr 2004 zu sehen, als das alte EEG aus dem Jahr 2000 auslief und die Verabschiedung des neuen, heute noch gültigen EEGs bis zum April 2004 dauerte: Aktien der Solarbranche verloren in den Monaten vor der Verabschiedung des Gesetzes durchschnittlich 34%.
Seither gibt es klare Planungsgrößen für unsere Solarunternehmen: Jeglicher Strom, der über Solaranlagen produziert wird, kann ins Stromnetz der örtlichen Versorger (E.On, Vattenfall, etc.) eingespeist werden. Der Abnahmepreis der Versorger ist im EEG festgelegt. Für Solarenergie beträgt er aktuell 35,49 Cents je 1.000 Watt Stunden (kWh). Das ist schon deutlich weniger als die 50,6 Cents je kWh, die es noch im Jahr 2001 gab. Doch es ist deutlich mehr als die durchschnittlich 18,6 Cents je kWh, mit denen Versorger bei herkömmlichem Strom kalkulieren.
Mit anderen Worten: Ohne die gesetzliche Förderung der Solarenergie wäre Solarworld schon längstens pleite. Aber das EEG ist nun festgeschrieben und die Abnahmesätze der Zukunft sind ebenfalls bereits festgelegt: Jährlich wird der Abnahmepreis um 5% vermindert. Damit wird dem technologischen Fortschritt Tribut gezollt, denn die Herstellung der Solaranlagen wird mit zunehmender Produktionsmenge immer günstiger. Darüber hinaus wird der Wirkungsgrad (also die Menge Strom, die aus den gegebenen Lichtverhältnissen gewonnen werden kann) immer größer.
Es ist also damit sicher gestellt, dass die Solarworld nicht Gewinne schubkarrenweise nach Hause fährt. Doch inzwischen kommt der Solarworld ein neuer Trend zugute:
EEG ALS EXPORTSCHLAGER IN 47 LÄNDERN
Bereits 47 Staaten unserer Erde haben sich das EEG zum Vorbild genommen und verabschiedeten ähnliche Gesetze. Über die Zukunftsfähigkeit der Solarenergie besteht weltweit keine Frage. Problem sind nur die hohen Kosten. Noch immer ließe sich bei einem Ölpreis von 250 USD/Fass günstiger Energie aus Öl herstellen als aus Solarzellen. Ohne Subventionen geht also nichts. Doch die Erkenntnis setzt sich offensichtlich weltweit durch.
Und genau hier liegt das Wachstumspotential für die Solarworld. Da das Unternehmen über den gesamten Fertigungsprozess im eigenen Haus verfügt, kann es mit Vertragspartnern in neuen Ländern bestens darüber verhandeln, welche Fertigungsschritte eingekauft werden sollen oder ob einfach die fertigen Solaranlagen bestellt werden sollten. In jedem Land sind die Förderbedingungen geringfügig anders, so dass diese Flexibilität einen Vorteil gegenüber den Wettbewerbern bedeutet.
So konnte die Solarworld auch in den vergangenen Jahren im Umsatz kontinuierlich um 30% p.a. wachsen. Die Kosteneinsparungen müssen deutlich über 5% p.a. liegen, denn sonst könnten die Gewinne nicht überproportional um 46% ansteigen. Damit beträgt das aktuelle Kurs/Gewinn-Verhältnis (KGV) 32.
Das hört sich im ersten Moment sehr hoch an, denn im Allgemeinen gelten KGVs über 20 als hoch. Doch wenn Sie sich das KGV vor dem Hintergrund des Wachstums von 30% p.a. anschauen, dann relativiert sich das Bewertungsniveau. Schon im laufenden Jahr 2008 werden Gewinne erwartet, die bei heutigem Kurs zu einem KGV 08e (e – estimated / geschätzt) von 24 führen. Und wenn die Solarworld ihre als konservativ bekannte Wachstumsstrategie weiter einhält, dann stünde das KGV auf Basis der 2009 erwarteten Gewinne nur noch bei 17.
Für ein Unternehmen wie die Solarworld, das Marktführer seiner Branche ist und mit überdurchschnittlichen Wachstumsraten aufwarten kann, habe ich mir als Obergrenze für ein KGV die zweifache Wachstumsgeschwindigkeit gesetzt. Mit diesem (zugegeben hohen) Bewertungsmaßstab können Sie auch Aktien ins Depot nehmen, die eigentlich als bereits hoch bewertet gelten, aber aufgrund des Momentums in dieser Branche immer weiter ansteigen. Wir müssen nun also noch beurteilen, ob das Momentum in die Solarbranche zurückkehrt, denn in den vergangenen Monaten war es sicherlich nicht vorhanden, wie Sie obigen Kurscharts unschwer entnehmen können.
VERLUST DER EUPHORIE AUFGRUND DER LIQUJIDITÄTSKRISE
Vor wenigen Wochen hat die Solarworld bekannt gegeben, dass die Investitionen in den Ausbau des Geschäfts in den Jahren 2008 bis 2010 nicht 500 Mio. Euro betragen werden, sondern 1,1 Mrd. Euro. Für ein Unternehmen, das gerade einmal 900 Mio. Euro Umsatz macht, ist dieses sicherlich ein ambitioniertes Volumen. Aus der Portokasse kann die Solarworld diese Investitionen nicht stemmen, das Unternehmen wird sich verschulden müssen.
Doch weltweit stöhnen Kreditinstitute unter dem Deleveraging der Finanzbranche, dem Abzug von Liquidität aus der Finanzbranche. 246 US-Banken und 24 deutsche Kreditinstitute sind bereits Pleite gegangen, seit die Immobilienkrise 2007 wie ein Flächenbrand das Vertrauen zwischen Gläubigern und Schuldnern erschüttert. In dieser Marktphase scheint das Vorhaben der Solarworld, 1,1 Mrd. Euro zu finanzieren, fast unmöglich. Darin sehe ich den Hauptgrund für den Kurssturz der Solarworld Aktien in den vergangenen Monaten. Das Unternehmen konnte kaum selbst etwas dafür.
Doch gehen Sie einmal davon aus, dass diese Finanzkrise nicht ewig dauern wird. Im Gegenteil, wir könnten die Talsohle bereits durchschritten haben. Und wenn sich der Nebel lichtet, dann werden Banken wieder Kredite vergeben. Und wer ist da ein besserer Kunde als ein Unternehmen, dessen Einnahmen gesetzlich geregelt sind (siehe EEG und dessen Export in 47 Länder). Da scheint das unternehmerische Risiko auf die Produktion beschränkt zu sein, denn der Absatz ist ja garantiert.
Ich kann mir also gut vorstellen, dass ein wenig Euphorie in die kapitalintensive Solarbranche zurückkehren wird, wenn die US-Immobilienkrise in den nächsten Monaten endet.
HILLARY CLINTON FÜR NEUE UMWELTPOLITIK
Die Amerikaner haben die Schnauze voll von Bush, und somit auch von den Republikanern. Der nächste US-Präsident wird meiner Ansicht nach ein Demokrat. Und dort stehen derzeit noch zwei Kandidaten parat: Obama und Clinton. Wenngleich ich Clinton die besseren Chancen gebe (siehe Wahlrecht der clinton-treuen Sonderdeligierten), so ist es doch für die Solarworld egal, wer es wird, denn beide Kandidaten haben ähnliche Ansätze: Beide zweifeln die Richtung der Umweltpolitik an, die Bush eingeschlagen hat.
Bush hat die Beimischung von Ethanol in das Autobenzin verordnet. Er hat sich das von Brasilien abgeschaut. Der weltgrößte Zuckerexporteur regelt Jahr für Jahr je nach Weltmarktpreisen für Zucker das Beimischungsverhältnis von Ethanol für Autobenzin. Beim Kopieren dieser Praxis hat Bush jedoch übersehen, dass Zucker in den USA nicht wächst und das Ethanol stattdessen aus Mais oder Soja gewonnen werden muss. Deren Wirkungsgrad (ja, das können Sie ähnlich sehen wie den Wirkungsgrad bei den Solarzellen) ist wesentlich geringer als der von Zucker. Darüber hinaus nimmt Bush keine Rücksicht auf die bestehenden Getreidemärkte: Die Beimischung von Ethanol führte in den USA zu steigenden Getreide- und dadurch auch zu steigenden Lebensmittelpreisen.
Ich muss sagen: Unser EEG ist besser als die Ethanolbeimischung und ich kann mir gut vorstellen, dass ein demokratischer Präsident der USA einen Schwenk in diese Richtung unternehmen wird. Das wäre ein Goldsegen für die Solarworld.
FAZIT
Das Bewertungsniveau der Solarworld ist nicht günstig. Allerdings war dies auch nicht zu erwarten bei einem Marktführer und Wachstumsunternehmen. Damit die Solarworld wieder ansteigt muss wieder Euphorie auf den Solarmärkten einkehren, und das geschieht offensichtlich nicht durch einen steigenden Ölpreis, sondern erst nach Beendigung der weltweiten Finanzkrise.
Da ich zwar gut analysieren, nicht aber hellsehen kann, pflege ich in solchen Fällen stufenweise vorzugehen: Ich würde jetzt zu Kursen unter 31 Euro eine erste kleine Position kaufen. Anschließend würde ich warten, ob es in den nächsten Wochen nochmals zu einem Ausverkauf an den Börsen kommt und der Kurs nochmals unter 27 Euro fällt. Dann würde ich nochmals nachkaufen. Schlimmstenfalls, wenn die Kurse sofort anfangen zu steigen, fahre ich eben nur mit einer halben Position mit. So lassen sich die derzeit unberechenbaren Turbulenzen jedoch nervlich besser überstehen.
Stephan Heibels Investmentideen werden im Heibel-Ticker Portfolio umgesetzt und können dort transparent nachverfolgt werden.
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