Tipp zum Spekulieren: TIPP24
Ich habe mich lange dagegen gewehrt, eine vermeintliche Zockeraktie wie Tipp24 zu besprechen. Gemeinsam mit BWin, Jaxx, ParyGaming und ähnlichen Anbietern haftet diesen Unternehmen doch stets der Vorwurf an, mit Sex, Drogen und Rockn’Roll Geschäfte zu machen – oder so ähnlich.
Doch die jüngsten Entwicklungen sprechen eine eindeutige Sprache: Tipp24 ist ein grundsolides Unternehmen, der Markt der Glücksspiele wird in Europa teilweise und sukzessive liberalisiert und der Vorwurf der Suchtgefahr ist im speziellen Fall von Tipp24 in meinen Augen sehr übertrieben. Doch eins nach dem anderen:
Vorgestern hat Frankreich bekannt gegeben, den Glückspielmarkt teilweise zu liberalisieren. Das ist eine wichtige Entscheidung so kurz vor der Fußball-WM, bei der insbesondere die Sportwetten im Internet kräftig ansteigen werden.
Hintergrund der Liberalisierung ist die alte Diskussion über das kleinere Übel: Glücksspiele in die Illegalität zu verbannen und damit dem unübersichtlichen Schwarzmarkt zu überlassen, oder aber unter strengen Auflagen und bei enger Beaufsichtigung Lizenzen zu vergeben, um den Markt unter Kontrolle zu halten. Frankreich hat sich für den zweiten Weg entschieden.
In Österreich und Großbritannien ist der Glücksspielmarkt schon seit längerem liberalisiert, also dem Privatsektor unter bestimmten Voraussetzungen freigegeben. In Frankreich wird eine Regulierungsbehörde geschaffen, die sich künftig mit der Aufsicht und Lizenzvergabe befassen wird.
In Deutschland hatten wir diese Diskussion im Jahr 2007. Damals ging es insbesondere um den Glücksspielmarkt im Internet.
Toto / Lotto Scheine erhalten Sie in jedem Kiosk, es ist eine der Geschäftsgrundlagen für diese kleinen Läden. Mit dem Internet haben einige private Anbieter versucht, die Lotto und Toto Scheine über das Internet zu vertreiben. Am besten hat Tipp24 diese Aufgabe gemeistert, denn über ein pfiffiges Netzwerk erreichte Tipp24 einen Marktanteil von 70%. Die meist regional organisierten Toto / Lottogesellschaften konnten da nicht mithalten.
Doch 2007 wurde ein Staatsvertrag zur Regelung des Glücksspielmarktes verabschiedet und dieser verbot den Vertrieb von Lottoscheinen über das Internet. Mit einem Jahr Übergangsfrist wurde Tipp24 plötzlich die Geschäftsgrundlage entzogen, zu Gunsten der Kleinläden und Kioske.
Des einen Freud ist des anderen Leid: Auch Tipp24 hatte inzwischen über 200 Mitarbeiter beschäftigt und suchte umgehend nach Möglichkeiten, den Geschäftsbetrieb auf eine andere Weise aufrecht zu erhalten. Die über 2 Mio. Kunden wollte man nicht aufgeben, sondern irgendwie bei der Stange halten.
Mit Recht, denn der Staatsvertrag ist mehr als umstritten: Als Begründung für das Verbot wird stets das übergeordnete Ziel der Suchtprävention genannt, die über den Verkauf der Lottoscheine im kleinen Laden durch den persönlichen Kontakt besser gegeben sein soll als im anonymen Internet. Doch diesem Ziel wird der Vertrag in keiner Weise gerecht, denn es gibt jede Menge Ausnahmen, die dieses Ziel ad absurdum führen.
Schauen wir uns einmal an, welche Spiele wirklich süchtig machen können und zu finanziellem Ruin führen können:
Poker, Black Jack (17&4), Roulette beispielsweise. Nun, das findet überwiegend in Casinos statt und diese sind alles andere als staatliche Einrichtungen, die sich mit der Suchtprävention auskennen. Casinos wird in dem Glücksspiel-Staatsvertrag eine Sondergenehmigung erteilt.
Kennen Sie die einarmigen Banditen oder andere Automaten, in die Sie beliebig viel Geld werfen können, ohne etwas zu gewinnen? Nun, die Automaten sind im Glücksspiel-Staatsvertrag ebenfalls von dem Verbot ausgenommen.
Pferdewetten: Auch hier wird die Suchtprävention hinter das wirtschaftliche Interesse der Pferdebahnbetreiber zurück gestellt. Pferdewetten sind der Privatwirtschaft ebenfalls gestattet.
Bleibt die staatliche Lotterie, die dem Staat Milliarden-Einnahmen bringt. Dieses Geschäft wurde zum 1.1.2008 über das Internet verboten. Nach einer einjährigen Übergangsfrist stellte Tipp24 zum 1.1.2009 die Vermittlung von Tippscheinen über das Internet ein.
Der Glücksspiel-Staatsvertrag läuft Ende 2011 aus, anschließend wird es einen neuen Vertrag geben. Tipp24 rechnet damit, dass ein neuer Vertrag das Vermitteln von Tippscheinen über das Internet wieder zulässt und kündigt auf seiner Internetseite bereits an, für diesen Fall erneut in Deutschland aktiv zu werden. Doch was macht das Unternehmen heute?
Nun, das Unternehmen hat in England eine Tochtergesellschaft MyLotto24 gegründet und in eine Stiftung eingebracht. Die Tochtergesellschaft hat eine britische Lizenz erworben, ausländische Glücksspiele anzubieten. Und so spielt MyLotto24 heute die Auslosung der deutschen staatlichen Lotterien nach. Entsprechende Gewinne werden stets an die Gewinner ausgeschüttet.
Das genaue Konstrukt dieser Geschichte ist für mich nicht so einfach durchschaubar. MyLotto24 ist als Stiftung jedenfalls unabhängig und nicht weisungsgebunden. Zufällig greift MyLotto24 jedoch auf über 2 Mio. Kunden zu, die an den Auslosungen teilnehmen.
Früher, als Tipp24 in Deutschland Lottoscheine über das Internet vermittelt hat, verdiente das Unternehmen etwa 10% Vermittlerprovision. Heute werden die Kunden von MyLotto24 direkt von den nachgespielten Ziehungen von MyLotto24 ausbezahlt. Durchschnittlich 50% der Einnahmen verbleiben heute bei den staatlichen Lotteriegesellschaften. Somit dürfte die Gewinnmarge von Tipp24 über die Lösung mit MyLotto24 in der Stiftung von vormals 10% in Richtung 50% ansteigen.
Der Umsatz von Tipp24 hat sich in dem vermeintlich katastrophalen Jahr 2009, als man die Lizenz für die Vermittlung in Deutschland verlor, fast verdoppelt! Der Gewinn ist sprunghaft angestiegen. Mit knapp 90 Mio. Euro Jahresumsatz verdiente das Unternehmen 2009 etwa 22 Mio. Euro, im Jahr 2010 könnte es meiner Schätzung nach eher in Richtung 40 Mio. Euro laufen.
Heute verfügt das Unternehmen bereits über eine Nettoliquidität von 85 Mio. Euro. Bis der Glücksspiel-Staatsvertrag ausläuft könnten noch 2010 sowie 2011 jeweils 40 Mio. Euro hinzukommen. An der Börse wird Tipp24 mit einer Marktkapitalisierung von 225 Mio. Euro gehandelt. Ziehen wir die Nettoliquidität ab, dann notiert das Unternehmen heute schon auf einem KGV 2010e von nur 3,5! ((225-85/40=3,5). Bis Ende 2011 sollte das Unternehmen, wenn alles nach Plan verläuft, 165 Mio. Euro Nettoliquidität haben, das Geschäftsmodell wäre dann nur noch 60 Mio. Euro wert. Sollte der Umsatz auf das Niveau von vor dem Glücksspiel-Staatsvertrag zurückfallen, also auf 45 Mio. Euro p.a., und sollte die Ertragskraft sodann wieder auf 10% sinken, also auf 4,5 Mio. Euro p.a., dann beträgt das KGV sodann 14.
Aus diesem Zahlenspiel ist ersichtlich, dass Tipp24 „eigentlich“ schon recht fair bewertet ist. Was in meinen Augen übersehen wird ist der Umstand, dass mit Frankreich eine Liberalisierung in Europa eingeleitet wird, die es finanzstarken Unternehmen ermöglichen wird, neue Märkte zu erschließen. Und das Abenteuer in Großbritannien versetzt Tipp24 in eine hervorragende Position, um eine Expansion in Europa voranzutreiben.
FAZIT
So gut es gemeint sein kann, die Kioske und kleinen Läden mit dem Glücksspiel-Staatsvertrag zu schützen, so deutlich ist aber auch ein Ende dieser Unterstützung abzusehen. Derzeit rumort es in allen EU-Ländern, doch der Umweg über Großbritannien, den Tipp24 genommen hat, zeigt, dass diese staatliche Einnahmequelle in einem freien Europa leicht umgangen werden kann. Schließlich herrscht in Europa Dienstleistungsfreiheit, jeder Europäer darf seine Dienstleistungen in jedem europäischen Land anbieten. Und das Internet ist ein Medium, das diesen Weg kostengünstig ebnet.
Das Risiko, das Tipp24 derzeit trägt, ist ein Mega-Jackpott, der von einem ihrer Kunden geknackt wird. Erst vor wenigen Monaten musste Tipp24 einmal 30 Mio. Euro Gewinn auszahlen. Das trifft natürlich die Aktie, doch langfristig ist das im Rahmen der statistischen Wahrscheinlichkeit irrelevant. Mit 2 Mio. Kunden ist Tipp24 groß genug, um sich auf die Statistik verlassen zu können. Kurzfristig würde natürlich ein weiterer entsprechender Jackpott, der an einen Tipp24 Kunden geht, die Nettoliquidität belasten und somit den Kurs drücken.
Ein weiteres Risiko besteht darin, dass die zugegebenermaßen abenteuerliche Konstruktion über Großbritannien durch irgendwelche Rechtsanwälte in Deutschland gekippt wird. Derzeit ist so etwas nicht zu befürchten zumal ein Ende ohnehin 2011 absehbar ist, doch es gibt genügend Anwälte, die auf der Suche nach einer entsprechenden Rechtslücke sind.
Die Aktie ist sehr volatil, eben dem Gemüt der Spieler entsprechend. Daher würde ich für einen spekulativen Kauf Kurse unter 26 Euro abwarten. Aktuell notiert die Aktie bei 28 Euro. Als Kursziel für die nächsten 6 Monate erwarte ich einen Kurs deutlich über 30 Euro. Insbesondere eine Europa-Expansion, weitere Liberalisierungsschritte in Europa oder aber auch eine einmalige hohe Dividendenausschüttung würden der Aktie zu einem weiteren Kursanstieg verhelfen.
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