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18.08.2023:
H E I B E L - T I C K E R F R E E
B Ö R S E N B R I E F
- Einfach einen Tick besser -
DEUTSCHE BIBLIOTHEK : ISSN 1862-5428
18. Jahrgang - Ausgabe 33 (18.08.2023)
Erscheinungsweise: wöchentlich Freitag/Samstag
Die PDF-Version dieser Ausgabe steht Ihnen ab sofort im Archiv sowie unter dem folgenden Link zur Verfügung:
https://www.heibel-ticker.de/downloads/hts230820.pdfIm heutigen Börsenbrief lesen Sie:
1. Info-Kicker: Sommerende in Sicht
Liebe Börsenfreunde,
Am kommenden Mittwoch und Donnerstag findet der Hamburger Investorentag HIT statt. Ich habe 18 halbstündige Termine, teils Präsentationen von CEOs und CFOs, teils 1-on-1s mit den Vorständen, in denen ich mir ein Bild über einzelne Unternehmen, aber auch über die konjunkturelle Situation machen werde.
Auf LinkedIn werde ich an den beiden Tagen kontinuierlich veröffentlichen, welche Informationen und Erkenntnisse ich erlange. Schauen Sie mal rein und vernetzen Sie sich gerne mit mir über
LinkedIn.
Der heutige Heibel-Ticker handelt von den Verwerfungen am chinesischen Immobilienmarkt. In Kapitel 2 zeige ich die Ähnlichkeit zwischen dem aktuellen Zahlungsausfall der Country Garden und dem weltgrößten Immobilienkonzern Evergrande auf. Daraus lässt sich ableiten, wie die aktuelle Krise enden, oder besser gesagt, beendet werden könnte.
Das Anlegersentiment zeigt, dass sich die Aktienmärkte auf des Messer Schneide befinden. Ich bin gespannt, wie sich die nächste Woche entwickelt. Mehr dazu lesen Sie in Kapitel 3.
In Kapitel 4 zeige ich die aktuellen Themen auf: China versus Konjunktursorgen. Deutschland versus USA. Wir sind handlungsfähig, sollte es in der kommenden Woche einen Anlass für Käufe oder auch Verkäufe geben.
Wie immer gibt es in Kapitel 5 eine Reihe von Updates und in Kapitel 6 eine tabellarische Übersicht über den aktuellen Stand unseres Heibel-Ticker Portfolios.
In der kommenden Woche werde ich vom HIT in Beschlag genommen sein. Entsprechend wird die Heibel-Ticker Ausgabe am kommenden Freitag von HIT-Inhalten dominiert sein. Ab September erklären wir dann den Sommer für beendet und schalten um in den normalen Modus. Sie dürfen gespannt sein, wir waren im Sommer nicht untätig und habe eine Reihe von Neuerungen für Sie vorbereitet.
Nun wünsche ich eine anregende Lektüre,
take share, Ihr Börsenschreibel
Stephan Heibel
Chefredakteur und Herausgeber des Heibel-Ticker Börsenbriefs
2. So tickt die Börse: Evergrande und Country Garden nähren Sorge über China
Der DAX, wie auch viele andere internationale Aktienmärkte, sind in den vergangenen Tagen eingebrochen. Zur Stunde beträgt das Wochenminus im DAX 2,2%, beim S&P 500 sind es -2,4% und in Japan verlor der Nikkei 3,1%. Meldungen aus China bereiten Investoren Sorge.
Die Sorge ist berechtigt, aber übertrieben. Immerhin sind die Exporte aus China im Juli um 15% eingebrochen. Die Jugendarbeitslosigkeit sprang auf über 20%, die staatliche Statistikbehörde gab bekannt, die Jugendarbeitslosigkeit künftig nicht mehr zu publizieren. Ja, so löst man Probleme in China. Und das Wachstum, dessen Ziel von der Kommunistischen Partei vor wenigen Jahren von 6% auf 5,5% reduziert wurde, betrug im vergangenen Jahr nur 3%.
Diese Woche wurde bekannt, dass Country Garden, ein großer chinesischer Immobilienkonzern, fällige Zinszahlungen nicht leisten konnte. Erinnerungen an 2015 werden wach, als der weltweit größte Immobilienkonzern Evergrande in Schieflage geriet, am Ende jedoch durch den Staat gerettet wurde.
Seither taumelt Evergrande und diese Woche hat das Unternehmen für seine US-Tochter Insolvenzschutz beantragt. Die chinesische Mutter, die seit 2015 im Notfallmodus operiert, hat allein in den vergangenen zwei Jahren 77 Mrd. USD an Verlust erwirtschaftet. Insgesamt lasten über 330 Mrd. USD Schulden auf dem Immobilienkonzern. Viele Bauprojekte wurden zu Bauruinen, die nie fertiggestellt werden.
An den Finanzmärkten kursiert die Angst, der Kollaps eines Immobilienkonzerns, sei es Country Garden, sei es Evergrande, oder seien es auch mehrere Immobilienkonzerne, könne das marode chinesische System zum Kollabieren bringen. Entsprechend erfolgt nun ein Ausverkauf an den Aktienmärkten: Investoren bringen ihre Schäfchen ins Trockene.
Ich halte die Angst für übertrieben, da ich mich an die Lösung des Problems bei Evergrande im September 2021 erinnere. Die Märkte taumelten gen Süden, während der chinesische Immobilienmarkt immer neue Hiobsbotschaften erzeugte. Das Schlimmste daran war, dass man den veröffentlichten Zahlen nicht glaubte. Unternehmensbilanzen und staatliche Statistiken malten ein wesentlich schöneres Bild als die fortwährenden Hiobsbotschaften über Bauruinen, über individuelle Pleiten etc. vermuten ließen. Die Aktie von Evergrande fiel immer tiefer, weil chinesische Investoren Ihr Kapital abzogen.
Irgendwann wurde von der Regierung verkündet, dass Investoren aufhören sollen, ihr Geld von Evergrande abzuziehen, denn das sei unpatriotisch. Investoren, die flüchten, wurden zum Staatsfeind Nr. 1 erklärt und über Nacht war der Spuk vorbei. Im
Heibel-Ticker #38 vom 24.9.2021 können Sie die damaligen Entwicklungen nachlesen.
Wenn ich mir die Null-Covid-Politik, die gefälschten Covid-Statistiken und die Art und Weise, wie Alibaba-Chef Jack Ma aus dem Verkehr gezogen wurde, vor Augen führe, dann kann ich mir nicht vorstellen, dass die drohende Pleite eines Immobilienkonzern das Land in die Knie zwingt. Wenn die Zeit reif ist, wird die Regierung auch dieses Mal eine Lösung deklarieren.
Wer also nach dem Ausverkauf dieser Woche in Panik verfällt und sein Aktiendepot auflöst, der könnte schon kurze Zeit später einer steigenden Börse sehnsüchtig hinterher schauen.
Schauen wir mal, wie sich die wichtigsten Indizes im Wochenvergleich entwickelt haben:
Wochenperformance der wichtigsten Indizes
INDIZES | 18.8., 18:54 Uhr | Woche Δ | Σ '23 Δ |
DAX | 15.574 | -1,6% | 11,9% |
S&P 500 | 4.367 | -2,1% | 13,7% |
Nikkei | 31.451 | -3,1% | 20,5% |
Shanghai A | 3.283 | -1,8% | 1,4% |
Euro/US-Dollar | 1,09 | -0,8% | 1,6% |
Euro/Yen | 157,96 | -0,5% | 12,6% |
10-Jahres-US-Anleihe | 4,24% | 0,08 | 0,36 |
Umlaufrendite Dt | 2,63% | 0,05 | 0,17 |
Feinunze Gold | $1.890 | -1,3% | 3,7% |
Fass Brent Öl | $85,45 | 0,0% | 2,2% |
Kupfer | $8.207 | -1,2% | -2,6% |
Baltic Dry Shipping | $1.247 | 9,7% | -17,7% |
Bitcoin | $26.117 | -11,2% | 57,5% |
Der Bitcoin ist in der abgelaufenen Woche um 10% eingebrochen. Auslöser sind das schwache Marktumfeld, die Wirren in China sowie insbesondere eine Meldung über den vermeintlichen Verkauf von Bitcoins durch Tesla-Chef Elon Musk.
SpaceX hat diese Woche Q-Zahlen vorgelegt, aus denen hervorgeht, dass der Bitcoin-Bestand seit 2021 um insgesamt 373 Mio. EUR abgeschrieben wurde. Das heißt, die im Besitz von SpaceX befindlichen Bitcoins sind heute 373 Mio. EUR weniger wert. Welchen Anteil daran der Wertverlust des Bitcoins hat, und wie viele Bitcoins verkauft wurden, das lässt sich den Zahlen nicht entnehmen.
Nun schrieb das
Wallstreet Journal, dass für Tesla die gleichen Bewertungsansätze gewählt werden wie für SpaceX. Auf den Unterschied zwischen Wertberichtigung auf den Bestand und Verkauf des Bestands ging der Artikel jedoch nicht ein, so dass viele Leser den Eindruck bekamen, SpaceX habe Bitcoin im Wert von 373 Mio. USD verkauft. Daraus wurde abgeleitet, dass auch Tesla, die einen wesentlich höheren Bestand an Bitcoins hat, verkauft hätte. Und in den sozialen Medien wird nun darüber spekuliert, ob sogar Elon Musk seinen privaten Bestand an Bitcoins verkaufe.
Musk zählt zu den Protagonisten der dezentralen, digitalen Währung. Zwar hat er überwiegend den Scherzartikel Dogecoin unterstützt, doch seine grundsätzlich positive Haltung drückte sich darin aus, dass er vorübergehend seine Teslas auch gegen Bitcoins verkaufte. Ein Umdenken bei Musk würde das Vertrauen in den Bitcoin tatsächlich stark belasten.
Derzeit steckt Elon Musk seine Energie hauptsächlich in den Umbau von Twitter / X. Dort nimmt er mit täglich dutzenden Tweets Stellung zu allen Themen, die er für wichtig hält. Zum Bitcoin hat er sich seit langem nicht mehr geäußert.
Fazit: Hmm, wir wissen also nicht, sondern es wird spekuliert. Ein Minus von 10% halte ich für eine Spekulation für zu viel, zumal der Auslöser, der Artikel im Wallstreet Journal, tatsächlich sehr unglücklich geschrieben ist.
Der US-Dollar ist diese Woche um 0,8%punkte angestiegen. In den vergangenen vier Wochen ist der US-Dollar um 3,3% gegenüber dem Euro angestiegen. In der Welt der Währungen sind das Welten. Anleger hatten die guten Erfolge der US-Notenbank unter Jay Powell bei der Inflationsbekämpfung dahingehend gewertet, dass bald Schluss sei mit weiteren Zinsanhebungen. Doch den jüngsten Aussagen verschiedener Notenbanker ist zu entnehmen, dass sich die Fed nicht mit einer vorübergehenden optischen Senkung der Inflation zufrieden geben wird, sondern erst aufhört, wenn sie sicher ist, die Inflation auch nachhaltig eingedämmt zu haben. Das ist derzeit noch nicht der Fall, da der Arbeitsmarkt noch immer angespannt ist, der Immobilienmarkt sich noch immer erstaunlich robust zeigt und auch die Konjunktur noch Spielraum für weitere Zinsschritte zulässt.
Während man bis vor kurzem also davon ausging, dass die US-Notenbank mit den Zinsanhebungen aufhören könnte, während die EZB noch viele Schritte vor sich hat und dadurch den Euro über die Zeit relativ zum US-Dollar attraktiver machen würde (steigende Zinsen in Euroland), dämmert es nun den Anlegern, dass die US-Notenbank von einem Ende der Zinsschritte doch noch weiter entfernt ist als zuvor gedacht. Entsprechend war die Attraktivität des Euros nur eine Fata Morgana.
Schauen wir mal, wie sich die Stimmung unter den Anlegern entwickelt hat.
3. Sentiment: Auf des Messers Schneide
In China befindet sich die Immobilienbranche einmal mehr in Turbulenzen und hierzulande werfen Anleger ihre Aktien auf den Markt. Um 2-3% sind die Indizes in Deutschland, den USA und Japan gefallen. Schauen wir mal, wie sich das auf die Anlegerstimmung auswirkt.
Unser Anlegersentiment ist auf -6,5% eingebrochen und signalisiert Angst und Panik. Wir befinden uns also mitten in einem Ausverkauf. Einen vergleichbar extrem-negativen Wert gab es zuletzt im vergangenen Oktober, kurz vor dem Tief des Bärenmarktes aus dem Jahr 2022. Doch vergleichbar extrem-negative Stimmungswerte hielten sich im vergangenen Jahr dreimal über einen Zeitraum von fünf Wochen: Nach Kriegsbeginn im März 2022, dann im Sommer und zuletzt im Herbst. Zweimal folgte nur eine kleine Erholung, um dann auf tiefere Tiefs abzusacken. Erst im Oktober wurde der Bärenmarkt endgültig ad acta gelegt.
Das Abrutschen der Aktienmärkte hat die Anleger stark verunsichert. Die Selbstgefälligkeit ist auf einen Extremwert von -4,9% abgerutscht. Vergleichbar große Verunsicherung tritt jedoch häufiger auf als die zuvor genannte Angst und Panik.
Wie zum Trotz steigt die Erwartungshaltung auf einen Wert von 3,0% an, der höchste Wert seit anderthalb Jahren. Eine vergleichbar große Zuversicht konnten wir zuletzt zum Beginn des Bärenmarktes 2022 messen. Damals wurden die Optimisten auf dem falschen Fuß erwischt.
Die Investitionsbereitschaft bleibt mit einem Wert von 2,0% auf einem moderat positiven Niveau.
Das Euwax-Sentiment der Privatanleger ist auf 2,5% angestiegen. Die moderaten Absicherungspositionen der Vorwochen wurden aufgelöst, nun positionieren sich die Anleger wieder für steigende Kurse.
Auch institutionelle Anleger kaufen wieder vermehrt Produkte, mit denen sie von steigenden Kursen profitieren. Das Put/Call-Verhältnis an der Eurex ist auf 1,2% gesackt, was eine vergleichsweise hohe Nachfrage nach Call-Optionen widerspiegelt.
US-Anleger verhalten sich, genau wie auch in den Vorwochen bereits, anders: Das Put/Call-Verhältnis der CBOE ist deutlich angestiegen, was eine verstärkte Nachfrage nach Put-Absicherungen bedeutet. Offensichtlich bereitet man sich in den USA auf schwerere Zeiten vor.
Auch die US-Fondsanleger reagieren entsprechend, die Investitionsquote ist auf 60% (-5%) gesunken.
Die Bulle/Bär-Differenz unter den US-Privatanlegern ist auf 5,7% gesunken, nachdem die Bullen in den vergangenen 10 Wochen mit Werten zwischen +15% und +25% die Oberhand hatten. Inzwischen stehen 36% Bullen 30% Bären gegenüber.
Der technische Angst und Gier Indikator des S&P 500 ist auf einen Wert von 44% gesunken und signalisiert erste Anzeichen von Angst.
Interpretation
Angst und Panik über die aktuelle Aktienmarktentwicklung haben wir schon lange nicht mehr gesehen. Ungläubig starren Anleger auf die fallenden Kurse und werfen ihre Positionen auf den Markt. Insbesondere die jüngsten Entwicklungen in China bereiten Anlegern Sorge. Eine unbequeme Abhängigkeit, gepaart mit der Ohnmacht, an der Situation selber nichts ändern zu können, scheinen die Anleger sehr stark zu belasten.
Doch so stark die Gefühle Angst und Panik augenblicklich dominieren, so stark ist auch die Zuversicht, dass die Probleme schon bald gelöst werden. Entsprechend bullisch blicken insbesondere heimische Anleger in die Zukunft.
Weiterführenden Daten unserer Sentimentanalyse entnehme ich, dass die Investitionsquote der Privatanleger in den vergangenen Monaten zurückgegangen ist, während die Shortquote deutlich anstieg. Aktuell haben Anleger wenig Cash, sind jedoch mit Leerpositionen gegen fallende Kurse abgesichert.
Leerpositionen werden durch Aktienkäufe aufgelöst, so dass dadurch bereits eine Nachfrage entsteht, die gegebenenfalls einen Ausverkauf an den Aktienmärkten bremst. Es dürfte spannend werden, wie sich Aktienmarkt und Anlegersentiment im Wechselspiel in den kommenden Tagen entwickeln. Ein zu frühes Auflösen der Leerpositionen würde die Börse anfällig dafür machen, anschließend nach unten durchzurutschen. Aus den vergangenen Jahren wissen wir, dass solche Ausverkaufsphasen nicht innerhalb weniger Tage vorübergehen, sondern mitunter auch mehrere Wochen in Anspruch nehmen können. Insbesondere im Bärenmarkt zeigte sich dieses Verhaltensmuster.
Auf der anderen Seite sind Ausverkäufe in intakten Bullenmärkten jedoch in der Regel sehr kurzlebig, so dass es durchaus möglich ist, dass wir den Großteil des Ausverkaufs bereits hinter uns haben.
Charttechniker weisen auf den Bereich zwischen 15.550 bis 15.600 Punkten hin, der als Trennlinie für den intakten Bullenmarkt gilt. Sollte der DAX in der kommenden Woche nachhaltig darunter rutschen, müssen wir uns auf eine mehrwöchige Korrekturphase einstellen. Folgt jedoch zeitnah ein Anstieg über 15.600 Punkte, so können wir den aktuellen Ausverkauf als normalen Vorgang im Bullenmarkt werten.
4. Ausblick: Immobilienkrise in China gepaart mit Konjunktursorgen in Europa belasten
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Quellen:
Kurse: Capital IQ, Deutsche Kurse von comdirect.de, Goldbarren & Münzen von proaurum.de, US-Kurse von finance.yahoo.com. Alle Kurse sind Schlusskurse vom Donnerstag sofern nichts Gegenteiliges vermerkt ist.
Bilanzdaten: CapitalIQ, Comdirect, Yahoo! Finance sowie Geschäftsberichte der Unternehmen
Informationsquellen: dpa-AFX, Aktiencheck, Yahoo! Finance, TheStreet.com, IR-Abteilung der betreffenden Unternehmen
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